Mobbing der Mitarbeiter: Pflicht des Arbeitgebers zur Untersuchung

13.10.22
Untersuchungspflicht beim Mobbing
Mobbing der Mitarbeiter: Pflicht des Arbeitgebers zur Untersuchung
Untersuchungspflicht beim Mobbing

Das französische Arbeitsgesetzbuch sieht vor, dass, sobald ein Sachverhalt (zum Beispiel Mobbing oder sexuelle Belästigung) im Unternehmen die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen kann, der Arbeitnehmer unverzüglich Maßnahmen ergreifen muss, um diesen zu beenden. Eine Untersuchung muss allerdings vorab vorgenommen werden, weil sonst die ergriffenen Maßnahmen rechtsunwirksam sein könnten.

Die Pflicht des Arbeitgebers, bei Verdacht auf Mobbing eine Untersuchung durchzuführen

Eine der Pflichtmaßnahmen besteht für den Arbeitgeber darin, eine interne Untersuchung durchzuführen, die die folgenden Elemente aufzeigt:

  • die Gegebenheit des Sachverhaltes auf objektive Art und Weise,
  • die Art des Sachverhaltes,
  • das Ausmaß und die Auswirkung des Sachverhaltes.

Wenn sich Mobbing bewahrheitet, kann die Sanktion bis zur Kündigung gehen.

Die Modalitäten der Untersuchung zu Mobbing werden von der Rechtsprechung von Fall zu Fall analysiert

Das frz. Arbeitsgesetzbuch sieht keine Modalitäten für die Untersuchung zu Mobbing vor. Folglich hat die frz. Rechtsprechung die Untersuchungsmodalitäten vorgegeben. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber frei entscheiden kann, wie er diese Untersuchung organisiert, solange er seine Pflichten und den gerichtlich vorgegebenen Rahmen beachtet.

Untersuchungen zu Mobbing oder sexueller Belästigung sind Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten, insbesondere in einigen Fällen, in denen die Mitarbeiter der Meinung sind, dass die Untersuchungen zum Beispiel nicht objektiv geführt wurden. Aus diesem Grund erlässt der frz. BGH, der Kassationshof, diesbezüglich regelmäßig Urteile.

2020 hat der Kassationshof dem Arbeitgeber zum Beispiel die Möglichkeit gegeben, im Rahmen einer internen Untersuchung nur einen Teil der Mitarbeiter, die potenzielle Opfer des Mobbings sind, anzuhören.

Kürzlich wurden weitere Urteile erlassen, die Arbeitgebern die Durchführung einer Untersuchung erläutern.

Möglichkeit zur Durchführung einer Untersuchung, ohne den betroffenen Mitarbeiter vorzuwarnen oder anzuhören

Grundsätzlich sind die Maßnahmen zur Überwachung der Handlungen von Mitarbeitern sehr streng geregelt und müssen diesen mitgeteilt werden. In einem Konfliktfall zwischen einem Arbeitgeber und einem gekündigten Arbeitnehmer stellte sich die Frage, ob diese Transparenz auch bei Untersuchungsmaßnahmen im Rahmen von Mobbing gelten sollte. In einem Urteil vom 17.03.2021 (Revision, Nr. 18-25.597) hat der französische BGH, der Kassationshof, diese Frage beantwortet.

Der folgende Sachverhalt wurde dem Richter zur Kenntnis gebracht: Die Personalvertreter eines Unternehmens haben Mobbing von Mitarbeitern durch eine andere Mitarbeiterin mit dem Status „leitende Angestellte“ gemeldet.

Als der Arbeitgeber von diesen Vorwürfen entfuhr, hat er beschlossen, eine psychologische Stelle einzurichten, die die mutmaßlichen Opfer begleiten sollte und die Dienstleistungen eines auf psychosoziale Risiken spezialisierten externen Unternehmens in Anspruch zu nehmen, damit dieses den Sachverhalt untersucht. Denn die Sicherheit seiner Arbeitnehmer obliegt dem Arbeitgeber.

Das externe Unternehmen hat folglich die Mitarbeiter, die Opfer und Zeugen waren, zum Sachverhalt des Mobbings angehört. Diese Untersuchung hat ergeben, dass die Mitarbeiterin „rassistische und diskriminierende Beleidigungen geäußert und eine schwerwiegende Störung der Organisation und kollektiven Effizienz verursacht hat.“ Laut den Untersuchungen wurden in der Tat schockierende Bemerkungen gemacht wie „Nigger“ gegenüber einem farbigen Mitarbeiter, „dicke Kuh“ gegenüber einer schwangeren Mitarbeiterin und „Frischfleisch, wir werden sie vergewaltigen“ gegenüber einer jungen Praktikantin.

Der Mitarbeiterin wurde letztlich fristlos gekündigt.

Daraufhin hat die Mitarbeiterin entschieden, vor Gericht zu gehen, um den Grund ihrer Kündigung anzufechten. Sie war der Ansicht, dass die Untersuchungen auf unfaire Weise geführt worden waren, da sie hätte angehört und von ihrer Existenz informiert werden müssen. Sie hat sich auf Artikel L.1222-4 des frz. Arbeitsgesetzbuches gestützt, der verfügt, dass „keine Informationen, die einen Mitarbeiter persönlich betreffen, durch eine Vorrichtung gesammelt werden dürfen, die ihm vorher nicht zur Kenntnis gebracht wurde“.

Das Berufungsgericht von Paris hat die Position der Mitarbeiterin bestätigt und wies die durch diese externe Untersuchung gesammelten Beweismittel zurück.

Der Kassationshof ist hingegen der Auffassung gewesen, dass die externe Untersuchung, die auf Anfrage des Arbeitgebers mit dem Ziel, zusätzliche Informationen zum Mobbing zu erhalten, stattgefunden hatte, nicht unter die in dem vorgenannten Artikel L.1222-4 des frz. Arbeitsgesetzbuches vorgesehene Regel fällt. Das Vorgehen des Arbeitgebers verstößt folglich nicht gegen die Beweisführung – die im Rahmen dieser Untersuchung gesammelten Informationen können wirksam genutzt werden, um eine fristlose Kündigung zu begründen. Allerdings hat der Kassationshof nicht ausdrücklich erwähnt, aus welchem Grund dieser Artikel L.1222-4 des frz. Arbeitsgesetzbuches nicht auf Mobbing, das vom Arbeitgeber bewiesen werden muss, angewendet wurde. Dies ist fragwürdig, da es keine Vorschriften gibt, die eine Anpassung des vom Arbeitgeber zu erbringenden Mobbingbeweises vorsehen. Während bei einer internen Untersuchung, die vom Arbeitgeber durchgeführt wird, der betroffene Mitarbeiter vorher nicht informiert werden muss, da diese in der Kontrollgewalt des Arbeitgebers liegt, ist dies bei einer von einer externen Gesellschaft durchgeführten Untersuchung nicht der Fall. Die Validierung dieses Verfahrens ist vielleicht an die Tatsache gebunden, dass, wäre die Mitarbeitern vorgewarnt worden, sie Druck auf ihre Kollegen hätte ausüben können, die das Ergebnis der Untersuchung ohne Zweifel verfälscht hätten.

Die Freiheit des Arbeitgebers in Bezug auf die Modalitäten und Beweise für seine Untersuchung zu Mobbing

Im Monat Juni 2022 hat der Kassationshof eine Klarstellung zur Zusammensetzung der Kommission vorgenommen, die die Untersuchung vornehmen kann (Revision Nr.21-11437).

Es handelte sich um einen 1990 eingestellten Mitarbeiter, ein Kundenberater, der Kassendirektor geworden ist. Ihm wurde 2015 wegen grobem Verschulden aufgrund von sexueller Belästigung und Mobbing, das von zwei Mitarbeiterinnen angeprangert wurde, gekündigt.

Der Mitarbeiter hat seine Kündigung angefochten und das Berufungsgericht von Rennes hat die Kündigung als grundlos ausgesprochen, da die interne Untersuchung seiner Meinung nach ungültig war.

Das Berufungsgericht von Rennes hat entschieden, den internen Untersuchungsbericht als Beweismittel zurückzuweisen, und zwar aus den folgenden Gründen:

  • der Bericht gab die Dauer der Vernehmung des Direktors nicht an;
  • die beiden betroffenen Mitarbeiterinnen wurden nicht getrennt angehört;
  • es waren nicht alle Mitarbeiter, die Zeugen des Sachverhalts wurden, angehört worden (nur 8 von 20 ohne Erklärung der Wahl der angehörten Personen);
  • das Protokoll wurde nicht unterzeichnet;
  • der Betriebsrat war nicht informiert worden und hatte sich mit der Akte nicht befasst (die Personalabteilung hat die Untersuchung vorgenommen).

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass diese Tatsachen die interne Untersuchung zu einer unfairen Untersuchung machten. 

Der Kassationshof hingegen ist der Ansicht, dass die vom Berufungsgericht von Rennes genannten Gründe für die Zurückweisung des Berichts als Beweiselement nicht ausreichen.

Der Kassationshof begründet seine Entscheidung insbesondere auf dem Freiheitsgrundsatz des Beweises vor den Arbeitsgerichten.

Der Kassationshof erinnert folglich daran, dass der Untersuchungsbericht „durch den Arbeitgeber vorgelegt werden kann, um das dem gekündigten Arbeitnehmer vorgeworfene Fehlverhalten zu begründen.

Letztlich obliegt es den Richtern, die Beweiskraft der Untersuchung zu bewerten, unter der Bedingung, dass die vom Arbeitgeber durchgeführten Untersuchungen nicht illegal sind. Die Tatsachen-Richter müssen auch jedes andere von den Parteien erbrachte Element analysieren.

Im vorliegenden Fall gingen aus dem Untersuchungsbericht Elemente hervor, die das Mobbing kennzeichnen, ohne dass eine illegale Anhörung vorgenommen worden war.  Darüber hinaus ermöglichten die anderen vorgelegten Tatsachen (Protokolle der Gespräche, Bescheinigungen der Mitarbeiter) die Füllung der Lücken des Untersuchungsberichtes.

Auch wenn der Kassationshof dem Arbeitgeber erlaubt, von der Personalabteilung oder sogar einer Steuerberaterkanzlei eine Untersuchung durchführen zu lassen (Berufungsgericht von Bourges, 06.05.2011, Nr. 10-1128), muss dennoch daran erinnert werden, dass immer empfohlen wird, auf den Betriebsrat zurückzugreifen, um eine solche Untersuchung vorzunehmen, und folglich in der Betriebsordnung oder -vereinbarung zum Mobbing vorzusehen, dass der Betriebsrat miteinbezogen wird. Manchmal gibt es auch ernannte Ansprechpartner für Mobbing innerhalb des Betriebsrates.

Der Arbeitgeber verfügt jedoch über keine allumfassende Freiheit: Er darf eine Untersuchung nicht von dem als Haupttäter des Mobbings bezeichneten Mitarbeiter vornehmen lassen (Berufungsgericht von Paris, 05.07.2012, Nr. 10-082996).

Zusammenfassend stellt der Kassationshof dem Arbeitgeber die Bestimmung der Untersuchungsmodalitäten frei, solange diese ernst, fair, kontradiktorisch, unparteiisch und erschöpfend durchgeführt wird.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: fotomowo

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