Änderung der Regeln über den Bereitschaftsdienst laut Betriebsvereinbarung

29.05.17
Nachts arbeiten: Bereitschaft
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Nachts arbeiten: Bereitschaft

Änderung des Bereitschaftsdienstes durch Betriebsvereinbarung bzw. Tarifvertrag

Im Falle des Bereitschaftsdienstes von Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber bei Vorhandensein einer kollektiven Vereinbarung (Betriebsvereinbarung bzw. Vereinbarung auf Ebene des Werks, Tarifvertrag in der Branche) nach französischem Arbeitsrecht dazu verpflichtet, die Bestimmungen der Vereinbarung über die Organisierungsmodalitäten des Bereitschaftsdienstes sowie dessen Ausgleich anzuwenden. Der Arbeitgeber darf in diesem Bereich nur bei Fehlen einer kollektiven Vereinbarung einseitige Entscheidungen zur Bestimmung dieser Themenbereiche treffen.

In einem Urteil vom Kassationshof vom 1.3.2017 hat sich das Gericht über die Frage der Änderung der Organisation des Bereitschaftsdienstes ausgesprochen.

In dieser Angelegenheit hatte die Firma Corning am 16.4.2017 eine Betriebsvereinbarung über die Organisation des Bereitschaftsdienstes in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber unterzeichnet. Nach einigen Jahren hat der Arbeitgeber die an der damaligen Unterzeichnung beteiligten Gewerkschaften zur Änderung dieser Betriebsvereinbarung durch Zusatzvertrag versammelt. Der Arbeitgeber wollte vor allem die Organisation des Rufbereitschaftsdienstes und des Bereitschaftsdienstes innerhalb der zwei Produktionsabteilungen ändern. In diesem ursprünglichen Betriebstarifvertrag war bei Eintreten von neuen Umständen, die die Veränderung der geltenden Bereitschaftsdienstmodalitäten erforderten, tatsächlich vorgesehen, dass ein Treffen zur Festlegung der neuen Modalitäten und „wenn möglich“ zur Erstellung eines Zusatzvertrages zur vorliegenden Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften und der Firmenleitung stattzufinden hatte.

Die Gewerkschaft CGT Corning hatte sich jedem Verhandlungsversuch entgegengesetzt und lehnte die Änderung der ursprünglichen Vereinbarung ab. Aufgrund dieses Widerstandes hat der Arbeitgeber die einseitige Änderung der Betriebsvereinbarung in den Bereichen des Rufbereitschaftsdienstes und des Bereitschaftsdienstes innerhalb der Firma vorgenommen.

Der Ansicht der Gewerkschaft CGT Corning nach hat der Arbeitgeber sie durch diese Initiative übergangen. Infolgedessen hat die Gewerkschaft beim Zivilgericht eine Klage auf Entschädigung erhoben. Tatsächlich meinte die Gewerkschaft, einen Schaden aufgrund der Nichterfüllung des ursprünglichen Unternehmenstarifvertrages bezüglich des Bereitschaftsdienstes erlitten zu haben.

Das Landesgericht hat die Klage der Gewerkschaft abgewiesen und befunden, dass der Arbeitgeber die ursprüngliche Betriebsvereinbarung nicht einseitig verändert habe. Infolgedessen hat die Gewerkschaft keinen Schadenersatz erhalten.

Keine einseitige Veränderung des Bereitschaftsdiensts durch den Arbeitgeber?

Das Berufungsgericht Paris hat dieses Urteil bestätigt und seine Entscheidung folgendermaßen erläutert:

  • Die Organisation des Rufbereitschaftsdienstes und des Bereitschaftsdienstes innerhalb der Firma hängt von der Tätigkeit der Gesellschaft ab. So hätte ein Treffen zwischen dem Arbeitgeber und den Gewerkschaften zur Besprechung der neuen Organisation der Dienstbereitschaft und dem Versuch der Erstellung eines Nachtrages zur geltenden Vereinbarung stattfinden müssen. Die ursprünglich geltende Betriebsvereinbarung sah ebenfalls vor, dass der Arbeitgeber sich das Recht vorbehielt, neue, für die Tätigkeit erforderliche Dienste einzuführen;
  • Die Organisation des Rufbereitschaftsdienstes und des Bereitschaftsdienstes innerhalb der Firma gehörte zu den grundsätzlichen Rechten des Arbeitgebers und konnte je nach Abteilung und Zeitraum variieren.

Verbot der einseitigen Änderung der Tarifvereinbarung durch den Arbeitgeber

Die innerhalb der Firma Corning geltende Betriebsvereinbarung verwies auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen, sprich Artikel L. 3121-7 des Arbeitsgesetzbuches. Gemäß diesem Artikel muss der Arbeitgeber zur Bestimmung der Modalitäten oder der Vergütung des Bereitschaftsdienstes vorrangig den Weg der Verhandlungen eingehen.

Diese gesetzlichen Bestimmungen sehen die Möglichkeit für den Arbeitgeber zur Organisation seines Bereitschaftsdienstes durch eine einseitige Entscheidung nur bei Fehlschlagen der Verhandlung vor. In seinem jungen Urteil verweist der Kassationshof auf diese Bestimmungen. Tatsächlich konnten diese Bestimmungen des Tarifvertrages aufgrund des Verweises auf die gesetzlichen Regelungen nicht als dem Arbeitgeber die einseitige Veränderung der Bereitschaftsdienstregelung erlaubend ausgelegt werden. Der Nachtrag zur Änderung des Tarifvertrages stellte den einzigen möglichen Weg zur Änderung der Bereitschaftsdienstmodalitäten innerhalb der Gesellschaft Corning dar.

Sehr einschränkende Auslegung durch den Kassationshof

Der Kassationshof hat somit entschieden, dass der Abschluss eines Nachtrages gemäß Betriebsvereinbarung tatsächlich zwingend war, und zwar trotz der ungeschickten Formulierung im Tarifvertrag, nach der ein solcher Nachtrag „wenn möglich“ abgeschlossen werden sollte. So kann der Arbeitgeber sich nicht über die Bedingungen hinwegsetzen, die im Tarifvertrag vorgesehen sind und der ursprünglich den Bereitschaftsdienst eingeführt hatte.

Der Kassationshof erhöht mit diesem neuen Urteil den Formalismus in Bezug auf die Änderung einer in einer kollektiven Vereinbarung festgelegten Bestimmung. Ist dies eine Botschaft an die neue Regierung, falls sie das französische Arbeitsrecht im Wege der Verhandlung auf Ebene des Unternehmens reformieren möchte?

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: volhavasilevich

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