Arbeitszeitbetrug: Kündigung wegen falscher Angabe von Überstunden
19.05.20

Bisherige Rechtsprechung zu falschen Angaben zu den Überstunden durch die Mitarbeiter
Die Erfassung der Arbeitszeit ist in den meisten Unternehmen schon länger Standard und seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshof von 2019 inzwischen auch Pflicht. Leider werden diese Zeitnachweise von den Mitarbeitern nicht immer korrekt dokumentiert. Arbeitszeitbetrug (z.B. durch das Vortäuschen falscher Arbeitszeiten durch zu frühes Ein- oder zu spätes Ausstempeln oder falsche Angaben im Überstundenzettel) kann eine fristlose Kündigung begründen. Die Erfurter Richter bleiben diesbezüglich nun mit einem weiteren Urteil konsequent.
In seinem Urteil vom 13. Dezember 2018 erklärte das Bundesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters wegen falscher Angaben seiner Überstunden für zulässig. Der Kläger hatte in Abstimmung mit seinem Vorgesetzten und der Personalreferentin jahrelang mehr Überstunden angegeben als tatsächlich erbracht. Dies sollte dazu dienen, nicht mehr gewährte Erschwerniszuschläge auszugleichen. Die Richter urteilten, der Arbeitgeber dürfe darauf vertrauen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten korrekt erfasst. Der Arbeitgeber muss nämlich keine Kontrolle der Arbeitszeit ausüben. Die Fälschung der Angaben hätten dieses Vertrauensverhältnis zerstört und der Mitarbeiter damit seine Pflichten dem Arbeitgeber gegenüber verletzt, womit die fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Selbst wenn das Streichen der Zuschläge unrechtmäßig war, habe der Kläger kein Recht selbst für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Dabei ändere es nichts, dass dieses Vorhaben mit dem Vorgesetzten und der Personalreferentin abgesprochen war. Vielmehr habe deren Zusammenwirken die Aufdeckung der falschen Angaben weiter erschwert, sodass der Vertrauensverstoß als schwerwiegender einzustufen ist.
Wann liegt ein Arbeitszeitbetrug des Mitarbeiters vor?
Verschiedene Verhaltensformen können einen Arbeitszeitbetrug darstellen:
- Vortäuschung falscher Arbeitszeiten (späteres Hinzuaddieren von Arbeitszeit, Angabe eines früheren Arbeitszeitbeginnes oder eines späteren Arbeitszeitendes)
- Nichterfassung von Pausenzeiten (Kaffeepausen, Raucherpausen…)
- Nichtberücksichtigung privater Tätigkeiten während der Arbeitszeit (privates Telefonieren, Zeitunglesen, Internetnutzung…)
Dem Arbeitgeber entsteht wegen der nicht erbrachten Arbeitsleistung nicht nur ein finanzieller Schaden, ein solches Verhalten kann darüber hinaus auch Kollegen zu dazu verleiten, die Regeln ebenso zu brechen.
Abmahnung oder sofort Kündigung?
Das deutsche Arbeitsrecht schreibt vor, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich zuerst abgemahnt werden muss, bevor eine außerordentliche Kündigung erfolgen kann. Dies soll sicherstellen, dass der Mitarbeiter nicht wegen jeder Kleinigkeit direkt seinen Arbeitsplatz verliert, sondern zunächst eine „zweite Chance“ erhält. Jedoch kann in Ausnahmefällen eine Abmahnung entbehrlich sein, zum Beispiel, wenn sie keinen Erfolg verspricht oder wenn sie unzumutbar wäre. Der Arbeitnehmer kann also bei einem besonders schweren Verstoß seine zweite Chance „verspielen“ und ohne Abmahnung gekündigt werden.
Um ein Arbeitsverhältnis außerordentlich, also ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, zu kündigen braucht es jedoch einen „wichtigen Grund“. Ein solcher liegt nur vor, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ende der Kündigungsfrist für eine der beiden Seiten unzumutbar erscheint. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Mitarbeiter eine Straftat, z.B. einen Diebstahl begangen hat.
Ein Arbeitszeitbetrug stellt laut überwiegender Rechtsprechung auch einen solchen „wichtigen Grund“ dar. Hierbei ist es unerheblich, ob dieser einmalig oder mehrmals vorgefallen ist. Dies wird immer damit begründet, dass durch den Arbeitszeitbetrug das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber derart verletzt wird, dass eine Weiterbeschäftigung des betrügenden Mitarbeiters unzumutbar wäre – ganz nach dem Motto „Wer einmal lügt dem glaubt man nicht mehr“. In besonders schweren Fällen, z.B. bei einer Manipulation des Zeiterfassungssystems, stellt ein solcher Betrug nämlich nicht nur eine Vertragsverletzung, sondern sogar eine Straftat dar. Zudem kann bereits der dringende Verdacht eines Arbeitszeitbetrugs ausreichend sein, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. „Schummeleien“ bei der Arbeitszeiterfassung sollten also keinesfalls verharmlost werden, denn in den meisten Fällen ist mit einer Kündigung zu rechnen.
Tipps für Arbeitgeber, deren Mitarbeiter mit der Arbeitszeiterfassung mogeln
Arbeitgeber müssen also grundsätzlich im Falle eines Arbeitszeitbetrugs vor einer Kündigung nicht abmahnen, denn der betrügende Arbeitnehmer dürfe nicht damit rechnen nur abgemahnt zu werden. Zu beachten gilt jedoch, dass sich hierbei immer um Einzelfallentscheidungen handelt, die die Abwägung der Interessen beider Seiten und die Berücksichtigung der jeweiligen Umstände erfordert.
Hier sind daher unsere Tipps:
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- Immer zum mildesten Mittel greifen, das das Problem löst.
- Je schwerer der Vertrauensbruch, desto eher kann eine fristlose Kündigung standhalten.
- Eine fristlose Kündigung nur aussprechen, wenn man den Arbeitszeitbetrug nachweisen kann und begründen kann, warum eine Abmahnung nicht ausreichend ist.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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