LinkedIn-Profil des Arbeitnehmers als Beweis im Kündigungsschutzverfahren
01.06.22

In einem Urteil vom 30.03.2022 (Nr. 20-21.665) nimmt der frz. BGH, der Kassationshof, implizit die Möglichkeit an, dass der Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsverfahrens Elemente des LinkedIn-Profils eines Arbeitnehmers als Beweis nutzen darf. Dieser Entscheidung kommt eine besondere Bedeutung zu – sowohl für den Arbeitgeber, der bei der Beweiserbringung oft auf Schwierigkeiten trifft, als auch für den Arbeitnehmer, der bezüglich des Inhalts im Internet in Social Media vorsichtig sein muss.
Soziale Netzwerke im Arbeitsrecht
Der frz. BGH hatte bereits anerkannt, dass ein Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer verhaltensbedingten Kündigung Auszüge des Facebook-Accounts – selbst eines privaten – eines Arbeitnehmers nutzen darf (Kassationshof, Kammer für soziale Sachen, 30.09.2020, Nr. 19-12058).
Ein Arbeitgeber hat folglich vor Gericht bereits Auszüge aus privaten Facebook-Accounts von Arbeitnehmern vorlegen können, dies jedoch nur unter mehreren Bedingungen:
- die Beweisinhalte wurden nicht auf betrügerische Weise erhalten;
- die Vorlage dieser Inhalte war für die Beweisführung unabdingbar;
- die daraus hervorgehende Auswirkung auf das Privatleben des Arbeitnehmers stand im Verhältnis zu dem vom Arbeitgeber verfolgten Ziel.
Der frz. BGH ging nun in seiner Argumentation noch einen Schritt weiter. Er gestand implizit zu, dass der Arbeitgeber Informationen, die im LinkedIn-Profil einer gekündigten Arbeitnehmerin enthalten sind, als Beweismittel vorlegen darf, in dem Versuch, den Betrag des Schadenersatzes, der für eine Kündigung ohne Grund geschuldet wird, zu begrenzen.
Der Beweis der neuen Stelle durch den Arbeitgeber mithilfe des LinkedIn-Profils der Arbeitnehmerin
Im vorliegenden Fall ist einer Arbeitnehmerin mit weniger als einem Jahr Betriebszugehörigkeit am 10.09.2014 wegen mangelnder beruflicher Eignung gekündigt worden. Sie hatte die Kündigung daraufhin vor dem Arbeitsgericht von Nanterre angefochten. Infolge der Berufung vor dem Berufungsgericht von Versailles vom 06.09.2020 wurde ihr recht gegeben, da das Berufungsgericht die Kündigung als eine Kündigung ohne Grund befunden hatte.
Die Richter des Berufungsgerichts hatten den Betrag des Schadenersatzes für die Kündigung ohne Grund jedoch auf EUR 10.000 begrenzt (die Macron-Tabelle galt noch nicht), da die Arbeitnehmerin anscheinend zügig (weniger als einen Monat nach ihrer Kündigung) eine neue Stelle gefunden hatte. Dies ging aus ihrem LinkedIn-Profil hervor, das der Arbeitgeber in die Debatte eingebracht hatte. Der Arbeitgeber hat die berufliche Situation der Arbeitnehmerin nach der Beendigung des Arbeitsvertrages aufzeigen wollen.
Die Arbeitnehmerin hatte diesen Tatsachen widersprochen, da sie keine neue Arbeit gefunden, sondern zwischen Oktober 2014 und Februar 2016 lediglich Schritte im Hinblick auf eine Unternehmensübernahme vorgenommen hatte.
Sie legte ihrerseits eine Bescheinigung der frz. Agentur für Arbeit vor, die ihre Meldung als Arbeitssuchende bis März 2018 nachwies, sowie eine Bescheinigung des Arbeitgebers, die die Ausübung der Kündigungsfrist bis zum 10.11.2014 bescheinigte.
Da die Arbeitnehmerin mit dem Betrag des Schadenersatzes nicht zufrieden war, hat sie Revision eingelegt – und erneut recht bekommen.
Unzureichende, jedoch zulässige Beweise
Der frz. BGH hat die Frage der Zulässigkeit der LinkedIn-Auszüge als Beweise nicht direkt behandelt. Er war jedoch der Ansicht, dass das Berufungsgericht den Betrag des Schadenersatzes für die Kündigung ohne Grund zu Unrecht begrenzt hatte, indem es insbesondere davon ausgegangen war, dass die Arbeitnehmerin im Oktober 2014 erneut Arbeit gefunden hatte.
Der frz. BGH erklärt in der Tat „indem so entschieden wird, obwohl der Beweis 32, LinkedIn-Profil der Arbeitnehmerin, erwähnt, dass sie ab Oktober 2014 eine Studie durchgeführt und Schritte im Hinblick auf die Übernahme eines Unternehmens unternommen und keine neue Stelle gefunden hatte, hat das Berufungsgericht, das dessen genauen und präzisen Wortlaut entstellt hat, den oben genannten Grundsatz verletzt.“
Der LinkedIn-Auszug gab folglich nicht an, dass die Arbeitnehmerin eine neue Stelle gefunden hatte.
Indem er die Analyse des Berufungsgerichtes in Frage stellte, hat der frz. BGH implizit zugestanden, dass die Auszüge eines LinkedIn-Profils als Beweise zugelassen werden können. Im vorliegenden Fall waren diese zwar nicht ausreichend, aber grundsätzlich zulässig.
Jedoch muss immer auf das Beweisverwertungsverbot geachtet werden, da das Beweismittel nicht auf betrügerische Weise erhalten werden darf. Hier war das LinkedIn-Profil frei zugänglich, sodass Auszüge daraus legal erhalten werden konnten und somit zulässig waren.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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