Die Urlaubsentschädigung steht nunmehr dem wegen groben Verschulden fristlos gekündigten Mitarbeiter zu

27.06.16
Urlaub und Arbeit
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Urlaub und Arbeit

Bisher bei grobem Verschulden keine Urlaubsentschädigung des Gekündigten nach französischem Arbeitsrecht

In einem Urteil vom 02.03.2016 hat das französische Verfassungsgericht (Conseil constitutionnel) entschieden, dass Auch bei einer fristlosen Kündigung wegen groben Verschuldens der Arbeitnehmer nach französischem Arbeitsrecht Anspruch auf Urlaubsentschädigung wegen nicht genommenem Urlaub hat. Diese Entschädigung entspricht der Bezahlung von Urlaubstagen, die der Arbeitnehmer am Tag seiner Kündigung bzw. seines Ausscheidens aus dem Unternehmen nicht genommen hat. Durch dieses Urteil setzt das französische Verfassungsgericht die Ungleichbehandlung, welche die wegen groben Verschuldens gekündigten Arbeitnehmer betraf, ein Ende. Bis zu diesem Urteil hatten alle Arbeitnehmer, einschließlich diejenigen, denen wegen schwerer Verfehlung (faute grave) fristlos gekündigt wurden, einen Anspruch auf eine Urlaubsentschädigung. Allein die Arbeitnehmer, deren Beendigung des Arbeitsvertrages auf einer Kündigung wegen groben Verschuldens beruhte, wurde die Urlaubsentschädigung verwehrt.

Diese Ausnahme ergab sich aus Artikel L. 3141-26 Abs. 2 des französischen Arbeitsgesetzbuches (Code du travail). Dem französischen Verfassungsgericht wurde eine Frage zur Vorabentscheidung der Verfassungsmäßigkeit des Artikels L. 3141-26 Abs. 2 des französischen Arbeitsgesetzbuches gestellt. Dieser Artikel sieht vor, dass die Urlaubentschädigung « geschuldet ist, soweit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf ein grobes Verschulden des Arbeitnehmers beruht ».

Der Gesetzgeber schließt durch diese Verfassung die Arbeitnehmer aus, bei denen ein grobes Verschulden anerkannt wurde, und bestraft sie somit für ihr schuldhaftes Verhalten. Tatsächlich liegt ein grobes Verschulden des Arbeitnehmers vor, wenn er mit der Absicht, dem Arbeitgeber zu schädigen, handelt.

Der Ausschluss der Urlaubsentschädigung für fristlos gekündigte Arbeitnehmer ist verfassungswidrig

Die am 02.12.2015 an die Verfassungsrichter gerichtete Frage zielte darauf ab, festzustellen, ob dieser Ausschluss im Widerspruch zum Artikel 11 der Präambel der Verfassung von 1946 steht, welche allen ein Recht zur „Erholung und Freizeit“ gewährt.

Der Verfassungsrichter hat entschieden, diese Bestimmung nicht wegen Verstoßes gegen das Recht auf Erholung der Arbeitnehmer, sondern wegen eines aus dieser Situation resultierenden Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz unter Arbeitnehmern zu streichen.

Das oberste Gericht sieht in der Ausnahme, die nur einige wegen groben Verschuldens gekündigte Arbeitnehmer betrifft, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es bestand nämlich nach französischem Arbeitsrecht eine Ausnahme von dieser Bestimmung: Ein Arbeitnehmer, dem wegen groben Verschuldens gekündigt wurde, konnte trotzdem eine Urlaubsentschädigung erhalten, wenn sein Arbeitgeber einer gesetzlichen Urlaubskasse, wie zum Beispiel der des Baugewerbes oder des Mediengewerbes, angehörte.

Diese Kassen wurden im Jahr 1936 gegründet und sehen, soweit die Arbeitgeber einer Pflicht zum Beitritt dieser Kassen unterliegen, selbst bei grobem Verschulden die Auszahlung der Urlaubsentschädigung an die Arbeitnehmer vor. Diese Kassen bestehen in Branchen, bei denen die Unternehmen ihre Arbeitnehmer nicht durchgehend beschäftigen, fort.

Von dem Umstand ausgehend, dass allen anderen wegen grobem Fehler gekündigten Arbeitnehmern dieses Recht vorenthalten wurde, stellt das französische Verfassungsgericht eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor dem Gesetz fest. Der Artikel L.3141-26 des französischen Arbeitsgesetzbuches ist somit teilweise aufgehoben worden. Alle Arbeitnehmer, denen wegen groben Verschuldens gekündigt wurde, haben demnach heute ein Recht auf Auszahlung der Urlaubsentschädigung.

Anwendung der Pflicht zur Auszahlung der Urlaubsentschädigung an alle Arbeitnehmer seit dem 02.03.2016

Zahlung des Urlaubs für den gekündigten ArbeitnehmerDie Entscheidung des französischen Verfassungsgerichtes wird mit sofortiger Wirkung angewandt. Sie betrifft somit alle seit dem 02.03.2016 wegen groben Verschuldens gekündigten Arbeitnehmer. Die Entscheidung des französischen Verfassungsgerichtes ermöglicht also allen wegen grobem Verschulden gekündigten Arbeitnehmern, den Anspruch auf Urlaubsentschädigung geltend zu machen.

Diese Entscheidung setzt dem konkreten Unterschied zwischen schwerer Verfehlung und grobem Verschulden ein Ende. Es stellt sich somit die Frage der Zweckmäßigkeit der Geltendmachung durch die Arbeitgeber eines groben Verschuldens in der Zukunft. Es ist in der Tat offensichtlich, dass ein grobes Verschulden schwer nachzuweisen ist, da die Schädigungsabsicht des Arbeitnehmers bewiesen werden muss. Der einzige Grund für den Arbeitgeber, ein grobes Verschulden geltend zu machen, bleibt letztendlich die Möglichkeit, vom Arbeitnehmer Schadenersatz wegen vertraglicher Pflichtverletzung einzufordern.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bilder: M. Rosenwirth, tuk69tuk

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